Rosen und Fasaner Blau

Im Feuerrausch der Farben

Schon der leiseste Lufthauch lässt die Harfen aus weißporzellanenen Blüten zu ihrer glockenhellen Erzählung ansetzen, die weit in die Zeit reicht. Aus Wasser und Ton formen Menschen seit ewigen Zeiten Schalen zum Bewahren und Bereiten von Speisen, die durchs Feuer gehen. Drüben in Caschlin liegen die Spuren der Stilfser Geschichte und irdener Gefäße mit den schlichten Mustern der Laugen-Melaun- und der Fritzens-Sanzeno-Kulturen. Von Menschen in Ton gedrückt, ihr Fingerabdruck noch lesbar. Diese Kunst gehört auch Elfi Sommavilla, die Gefäße in der mütterlichen Apotheke lieben lernt und selbst aufmüpfigen Ton mit kraftvollem Griff nach ihrem Willen formt und schachtelt. Doch wo wachsen die Blüten ihrer kraftvoll flirrenden Keramikbilder? Sie wohnen zwischen Mauern. Weil frische Blumen im Bauernhaus als unheilbringend galten, erblühten sie apotropäisch auf hölzernen Schreinen, Kästen und Türen oder seit dem frühen 20. Jahrhundert im Musterrapport an die Wand gerollt. Wie die Stilfser waren auch die Fassaner arm und als Maler auf Wanderschaft. Weitum in Europa verteilten sie im 19. Jahrhundert Rosen und ihr leuchtendes Blau, die die Stubentüren und Fensterlaibungen im kleinen Stilfser Haus immer noch tragen. Mit den alten Musterwalzen des Dorfmalers hat die Herrin über das Feuer, deren Familienwurzeln noch dazu im Fassanischen liegen, dem weichen Ton das Blühen eingedrückt und die Rosen, Granatäpfel, Ranken und Blätter im alchemistischen Feuerfarbenreich der Majolikatechnik entfesselt. Sie überschreiten die Grenzen ihrer Form und tauchen ein in die Untiefen der Farben, Schicht für Schicht und Brand für Brand. Die Blumen bleiben feine Erinnerung, und selbst die „Schnittbilder“, die ernsten Geschwister der Blumenbilder aus anthrazitfarbenem Ton setzen dazu an sich zu Origamiblüten zu falten. Frische Blumen im alten Haus.

 

Text: Karin Dalla Torre

Fotos: Hartmut Prünster und Thomas Pichler


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